Tinis Übungstexte aus der Schreibwerkstatt


Die Luft duftet nach Brathendl. Zwischen den Türmen des Wiener Doms blinzeln Sonnenstrahlen durch und werfen ihr Licht auf Blumenkinder, die auf dem Platz zur Polka der ungarischen Strassenmusikanten tanzen. Er läßt seine Finger über die eingeritzten Initialen verliebter Pärchen auf dem Geländer der Holzbank tasten und blickt auf seinen Sitznachbarn, der sich mit seinen schätzungsweise 90 Jahren noch quietschfidel ein Pfeifchen stopft und die Strassenmusiker dirigiert. Überall auf dem Platz vor dem Dom kann man zauberhafte Kreidezeichnungen auf den Steinplatten betrachten. Von links belächelt ihn Wiens Ausgabe der Mona Lisa, von rechts der Donau-VanGogh. Ein Blick auf die Uhr zeigt ihm, das er nun gehen muss.

Er ruft ein Taxi und findet sich 30 min. später in einer grauen, stinkenden Halle wieder. Gestresste Menschen mit Rollkoffern drängen an ihm vorbei. Einer rollt ihm sogar über den grossen Zeh. Leuchtreklame für Last Minute- und Duty-Free-Angebote maltretieren seine Augen. Schrille Durchsagen und "Letzte Aufrufe" für unpünktliche Passagiere schallen durch die Terminalhalle. Er beobachtet streitende Paare, die sich hier in den kilometerlangen Warteschlangen, auf ihren Jahresurlaub einstimmen. Ein Kind weint. Eine Putzkolone sorgt für die Sterilität und Anonymität des Flughafens. Durch das Kommen und Gehen der vielen Reisenden ist das Hinterlassen von Persönlichkeit, selbst eines Fingerabdrucks, unerwünscht - geradezu verboten. Auch Kunst, Strassenmalerei oder gar die Musiker haben hier nichts verloren. Hier regiert Hektik und Kälte.


Bei dieser Übung ging es darum einen Stimmungswechsel der Person nur durch Räume auszudrücken. Gelungen?
Eine lange Schlange drängelt sich am Fahrkartenautomat. Wenige Meter weiter reihen sich einige kulturbegeisterte Personen vor einem Vorverkaufsschalter. Auf dem gelben Plattenboden sieht man unzählige schwarze Flecken, die mal Kaugummis gewesen sein könnten. Alles ist sehr urban hier unten im Zwischengeschoss. Zivilisierte Menschen hasten wie Ameisen wirr durcheinander. Überall leuchtet Reklame - es blinkt und fiept und die Schritte donnern zwischen den blauen Fliesenwänden. Die Stadt lebt!

Der Mann im abgetragenen Jackett drängelt sich in den Menschenstrudel; er möchte dazugehören. Er mischt sich unter die nervösen Wartenden am Vorverkaufsschalter. Einmal 1. Reihe Shakespeare oder was? Warum halten diese Leute wohl Abstand - sieht man es denn sofort, dass er kein Geld hat, nicht einmal einen Platz für die Nacht?

Er stiehlt sich wieder davon, wartet,"keine Zeit haben" spielend, neben den Fahrgästen am U-Bahn-Schalter. Drückt sich aber auch hier wieder weg. Er möchte doch nur dazugehören, zu all diesen Menschen, die ein Ziel haben. Aber er hat kein Ziel

Er nicht!


Die Übung war um einen Raum in dem die Handlung spielen soll, darzustellen. Im Kurs musste die 1. Person einen Raum beschreiben und das Blatt dann an eine unbekannte andere Person weitergeben, die dann den Akteur in den Raum gesetzt und beschrieben hat. Diese Übung hat hervorragend funktioniert, weil die Person an die ich gedacht hatte, genau der Person entspricht, die die Frau neben mir aus dem Kurs ergänzt hat.

Kann die Schreibwerkstatt im Gasteig nur jedem empfehlen, der gerne schreibt.

Hier noch Texte, die ich mal so geschrieben habe:

[cb 11.09.2002]